Futter Bei Die Fische: Ein Bericht zum Umgang von Groß- und Einzelhändlern in Deutschland mit Wildfisch als Fischfutter in ihren Aquakultur-Lieferketten

December 2020 Report
Futter Bei Die Fische: graphic of supermarket fish shelves

Zusammenfassung

Nachhaltigkeit beim Fischkauf ist für viele Verbraucher*innen ein wichtiges Thema. In Deutschland wird Fisch am häufigsten in Supermärkten verkauft. Deshalb stehen diese in der Verantwortung, beim Einsatz für gesunde Meere eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) untersucht im vorliegenden Bericht, inwieweit die Märkte dieser Verantwortung bei Produkten aus Aquakultur – also Fischprodukten aus Zucht – gerecht werden.

Unsere Meere und Ozeane sind für das Überleben der Mensch- heit unverzichtbar. Sie erzeugen den Sauerstoff für jeden zweiten Atemzug, binden klimaschädliches Kohlenstoffdioxid und sind wichtiger Nahrungslieferant für über drei Milliarden Menschen. Um diese Funktionen aufrecht erhalten zu können, müssen die Meere gesund sein. Hierzu gehören stabile und ausreichend große Fischbestände. Doch die Meere leiden zunehmend an der anhaltenden Übernutzung durch uns Menschen. Im Jahr 2017 waren 34,2 Prozent der globalen Fischbestände überfischt (1974 waren es nur 10 Prozent). Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Fisch beständig; im Zeitraum zwischen 1961 und 2018 ist der weltweit durchschnittliche pro Kopf-Verbrauch von Fisch von 9 Kilogramm auf 20,3 Kilogramm pro Jahr angestiegen.

Aquakultur wird dabei oft als Heilsbringerin gehandelt – die nachhaltige Lösung, die unseren Hunger nach Fisch stillt, ohne die Meere weiter zu überlasten. Denn hierbei werden die Fische gezüchtet anstatt sie aus dem Meer zu fischen. Leider trügt dieser Schein. Aquakultur ist – zumindest bis heute – ein Teil des Problems. Die Aquakulturindustrie ist bis dato von großen Mengen Fisch aus den Meeren als Futtermittel für die Zuchtfische abhängig. Jedes Jahr werden ca. 20 Millionen Tonnen Wildfisch zu Fischmehl und -öl verarbeitet – das sind fast 20 Prozent des weltweiten Gesamtfangs. Das heißt, jeder fünfte gefangene Fisch wird zu Fischmehl und -öl verarbeitet, wovon wiederum der Großteil (knapp 80 Prozent) an Zuchtfische verfüttert wird. Diese Verfütterung von Wildfisch an Zuchtfisch übt erheblichen Druck auf Wildfischbestände aus, anstatt sie zu entlasten (siehe Kapitel 2). Aquakultur hat das Potenzial, den Druck auf Wildfischpopulationen zu mindern. Eine Entkopplung der Aquakultur von der Fischerei ist dafür unbedingt erforderlich. Unter den aktuellen Gegebenheiten stellt die Aquakulturindustrie mit ihrer Nutzung von Wildfisch als Futtermittel allerdings eine Gefahr für die langfristige Gesundheit unserer Meere und für unsere eigene Ernährungssicherheit dar.

Doch dies muss nicht sein: Bereits heute können wir auf nachhaltige Alternativen zurückgreifen, die die Meere nicht zusätzlich belasten. Hierzu gehören zum einen alternative Futtermittel, die Algenöl, pflanzliche Substitute (z.B. Raps, Mais, Weizen) oder Insekten statt Fischmehl und -öl enthalten. Zum anderen gehört hierzu die Zucht anderer Arten, die mit sehr wenig oder gar ohne Fischmehl- und -öl-Zusatz im Futter auskommen. Hierzu zählen z.B. Karpfen, Wels, Muscheln und Tilapia.

Supermärkte haben eine enorme Macht, das Konsumverhalten der Verbraucher*innen zu beeinflussen. Sie müssen dafür sorgen, dass hohe Nachhaltigkeitsstandards für die Lebensmittel- und Fischfutterproduktion in ihren Lieferketten eingehalten werden. Der vorliegende Bericht bewertet, inwiefern sieben deutsche Groß- und Einzelhändler dieser Verantwortung nachkommen und die Herausforderungen bezogen auf Nachhaltigkeit angehen, die sich aus den Lieferketten der von ihnen verkauften Produkte aus Aquakultur ergeben.

Die Unternehmen ALDI Nord, ALDI Süd, EDEKA, KAUFLAND, LIDL, REWE und die METRO AG wurden anhand von 13 Indikatoren untersucht: Diese 13 Indikatoren repräsentieren eine Reihe von Schritten in den Bereichen „Unternehmenspolitik“, „Lieferketten-Transparenz“ und „Produktvermarktung“, die aus Sicht der DUH von Seiten der Unternehmen nötig sind, um sich bei ihren Aquakulturprodukten für eine nachhaltige Nutzung und die Gesundheit der Meere einzusetzen. Die Untersuchung stützt sich auf Informationen aus drei Datenquellen: eine umfassende Unternehmensumfrage, eigene Recherchearbeiten und Marktbesuche. Eine Rangliste bewertet, wie transparent und nachhaltig die Lieferketten der Groß- und Einzelhändler im Hinblick auf die Produkte der Aquakulturindustrie und der dort verwendeten Futtermittel tatsächlich sind. Unsere Bewertung zeigt ein erschreckendes Bild: Keines der evaluierten Unternehmen erfüllte auch nur die Hälfte der von uns untersuchten Bedingungen für nachhaltige Lieferketten bei ihren Produkten aus Aquakultur (siehe Abbildung 1). Keiner der Händler formuliert ein klares Ziel, wann und wie Wildfisch als Futtermittel aus den Lieferketten für ihre Produkte aus Aquakultur verschwinden soll.

Wir ermutigen KAUFLAND, ebenso wie alle anderen Groß- und Einzelhändler, Aquakulturprodukte aus ihrem Sortiment zu ver- bannen, die mit Futtermitteln aus Wildfisch gefüttert werden und so Wildfisch aus ihren Aquakultur-Lieferketten zu eliminieren.

Das Schlusslicht bildet die METRO AG mit der Erfüllung von nur 10 Prozent der untersuchten Indikatoren. Als Großhändler hat das Unternehmen eine besonders große potenzielle Reichweite und damit auch eine besondere Verantwortung in Bezug auf Lieferketten-Transparenz und Nachhaltigkeit. Leider mangelt es dem Unternehmen aber an einem wirklichen Einsatz hierfür. Auf unsere Umfrage erhielten wir keine Antwort – dieser Mangel an Engagement spiegelt sich auch im allgemeinen Versagen der METRO wider, die Wichtigkeit der Entkopplung von Aquakulturprodukten und Wildfisch zu erkennen. In der Fisch-Einkaufspolitik finden sich keine Hinweise auf die negativen Folgen von Wildfisch im Fisch- futter. Der jüngste Fortschrittsbericht zeigt sogar, dass die Anzahl der METRO-Produkte aus nachhaltiger Fischerei und Aquakultur 2018/19 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken ist. Weitere ausführ- liche Informationen zur Bewertung der einzelnen Unternehmen finden sich in Kapitel 3.

Mit einem wachsenden öffentlichen Interesse an nachhaltigen Fischprodukten können es sich Groß- und Einzelhändler nicht mehr leisten, vor dieser Problematik die Augen zu verschließen. Alle untersuchten Händler haben noch einen langen Weg vor sich, um sicherzustellen, dass ihre Aquakultur-Lieferketten einem nach- haltigen Standard entsprechen und sie Wildfischpopulationen nicht weiterhin überlasten. Es ist Zeit, dass deutsche Groß- und Einzelhändler ihre Vorreiterrolle verantwortungsvoll wahr- nehmen. Sie müssen sich zu festgeschriebenen Nachhaltigkeits- standards bekennen, ihre Lieferketten vollständig transparent machen und sich dazu verpflichten, die Nutzung von Wildfisch in den Futtermitteln ihrer Aquakultur-Lieferketten zu beenden.

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