Fast Fashion finanziert den Krieg gegen die Ukraine

1 Nov 2022 Fossil Fashion

Einige der größten Fast-Fashion-Marken in Europa verwenden russisches Öl für die Herstellung ihrer Kleidung, so eine neue Studie der Umweltorganisation Changing Markets Foundation.

Deutschland und die ganze Welt leiden unter einer dramatisch steigenden Inflation, nicht zuletzt wegen der westlichen Sanktionen gegen russisches Öl.

Allerdings hat die Changing Markets Foundation in einer Studie herausgefunden, dass die Versuche von der Modeindustrie untergraben werden, Präsident Putin finanziell zu schaden.

Der Bericht “Dressed to Kill – Fashion brands’ hidden links to Russian oil in a time of war” listet 39 Modemarken auf, darunter auch bekannte deutsche Firmen, die Polyester von Indiens Reliance Industries und der chinesischen Hengli Group beziehen.

Direkte Verbindungen zu diesen beiden Herstellern wurden bei Esprit, der Benetton Group, G-Star RAW, New Look und Next festgestellt. Die Recherche ergab, dass mehrere andere Marken über ihre Lieferketten mit Reliance und Hengli verbunden sind, darunter Hugo Boss, Adidas, PUMA, Aldi und Zalando, obwohl diese Marken einen erheblichen Mangel an Transparenz und Offenlegung aufweisen.

Während des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Reliance seine Ölkäufe aus Russland um das Zwölffache erhöht: von 67,4 Millionen Euro pro Monat vor der Invasion auf 829,4 Millionen Euro pro Monat im Juli dieses Jahres, womit Russland zu dessen größtem Öllieferanten wird.

Reliance ist einer der weltweit führenden Produzenten von Polyesterfasern. Das Unternehmen gehört dem zweitreichsten Mann Indiens und betreibt im nordindischen Gujarat die größte Ölraffinerie der Welt. Viele der dort beschäftigten Menschen verdienen nur wenige Dollar am Tag und gegen das Unternehmen wurden immer wieder Vorwürfe wegen Korruption, Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen erhoben.

Die Studie zeigt, wie das Unternehmen die günstigen Preise für russisches Öl ausnutzt und so die Bemühungen des Westens untergräbt, die Mittel für Putins illegalen Krieg zu beschneiden.

Unsere Recherchen haben ergeben, dass ein anderer wichtiger Polyesterlieferant, die chinesische Hengli Group, ebenfalls russisches Öl für die Herstellung seiner Polyesterprodukte kauft. Im Mai 2022 waren Henglis Importe von russischem Öl im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent gestiegen, und es ist kein Geheimnis, dass das Unternehmen in den letzten Monaten verbilligtes Rohöl aus Russland bezogen hat.

Auch die dazu in krassem Widerspruch stehenden Nachhaltigkeitsversprechen der Modemarken hindern diese offensichtlich nicht daran, weiterhin Polyester von den beiden Herstellern zu beziehen.

Billige, aus fossilen Rohstoffen wie Öl und Gas hergestellte Kunstfasern machen heute 69 Prozent aller Textilien aus. Bis 2030 wird diese Zahl voraussichtlich auf fast drei Viertel ansteigen, dabei handelt es sich mit 85 Prozent größtenteils um Polyester. Dieser Umstand trägt maßgeblich zu dem rasanten Aufstieg der Fast Fashion bei, der die globale Abfallkrise und die Verschmutzung durch Mikroplastik verschärft.

Zu den Modeunternehmen, die synthetisches Gewebe von Reliance Industries und der Hengli Group kaufen, gehören neben bekannten Modelabels auch der Einzelhandel, wie etwa H&M, Inditex, GAP, Mango und Primark.

Obwohl mehr als 25 dieser 39 aufgelisteten Marken (64 Prozent) ihre Geschäftstätigkeit in Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine ausgesetzt haben, tragen sie durch ihre Abhängigkeit von synthetischen Fasern weiterhin zur russischen Wirtschaft bei und finanzieren so indirekt den Krieg.

Recherchen brachten auch Verbindungen in der Lieferkette zwischen einer Reihe von Marken und dem chinesischen Polyesterhersteller Hengli ans Licht. Letzterer verwendet Öl von Saudi Aramco und investiert gerade 20 Milliarden US-Dollar in die Produktion von Polyestergarn aus Kohle. Das bedeutet, dass große Modemarken nicht nur Gefahr laufen, Polyester zu verkaufen, das aus dem Öl des größten Emittenten der Welt hergestellt wurde, sondern in naher Zukunft auch aus Kohle.

Die Ergebnisse verdeutlichen, das synthetische Kleidung überwiegend aus umstrittenen fossilen Rohstoffen hergestellt wird, weshalb sie als Grundlage des zerstörerischen Fast Fashion-Modells ausgedient haben muss.

Tausende Deutsche, die in diesem Winter einen neuen Pulli kaufen, um weniger heizen zu müssen und Energie zu sparen, greifen dafür also ungewollt zu aus russischem Öl hergestellten Produkten.

George Harding-Rolls, Campaign Manager bei der Changing Markets Foundation: “Gerade dachten wir noch, die Heuchelei der Modebranche mit ihrem Greenwasching sei kaum noch zu toppen, da zeigt unsere neueste Studie, dass einige der größten Modeketten durch ihre wachsende Abhängigkeit von klimaschädlichen fossilen Rohstoffen Putins abscheulichen Krieg gegen die Ukraine finanzieren.

Fast Fashion basiert auf billigen, aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Materialien, welche die Plastikverschmutzung und die Klimakrise anheizen. Jetzt sehen wir zum ersten Mal einen weiteren unmenschlichen Preis für diese Abhängigkeit: Der Kauf von aus russischem Öl hergestellter synthetischer Kleidung unterstützt die russische Wirtschaft während des Krieges gegen die Ukraine. In einer Zeit, in der das Schicksal der Ukraine auf dem Spiel steht, fordere ich diese Marken auf, kein schmutziges Polyester mehr zu verwenden, und dabei zu helfen, Putin den Geldhahn abzudrehen.”

Anastasiia Martynenko, Leiterin der NGO Zero Waste Society (Ukraine): “Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat eine zynische und naive Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen deutlich gemacht. Wer russisches Öl und Gas für die Produktion von Kleidung verwendet, unterstützt Putins blutigen Krieg. Die Marken müssen ihre Lieferketten offenlegen und sofort die Verwendung von russischen oder anderen fossilen Brennstoffen beenden und auf sichere, natürliche und nachhaltige Materialien und Geschäftsmodelle umsteigen.”

Livia Firth, Gründerin und Creative Director von Eco Age: “Fast Fashion ist fossile Mode, und dieser Bericht beweist das jetzt über jeden vernünftigen Zweifel hinaus. In einer Zeit, in der wir über Net Zero und die Abkehr von fossilen Brennstoffen diskutieren, ist die Tatsache, dass die Modeindustrie süchtig nach auf Erdöl basierenden synthetischen Fasern ist, ein absolutes Paradoxon. Die vorliegenden Ergebnisse von Changing Markets sollten Marken und Verbrauchern eine deutliche Mahnung sein, dass Mode und Klimawandel untrennbar miteinander verbunden sind.”

Maria Westerbos, Gründerin der Plastic Soup Foundation: “Dass Plastikmode schmutzig ist, wussten wir bereits, sie trägt zum Klimawandel bei und gefährdet unsere Gesundheit. Jetzt finden wir heraus, dass sie auch noch Putins illegale Invasion der Ukraine finanziert. So etwas wie sauberes Plastik gibt es nicht. Die Modehäuser müssen sich wieder darauf besinnen, Qualitätsmode statt Wegwerfmode zu produzieren.

Die Changing Markets Foundation fordert von den Modemarken vollständige Transparenz in Bezug auf ihre Nutzung synthetischer Fasern und die Verpflichtung, diese bis 2025 um 20 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2021 zu reduzieren.

www.changingmarkets.org

ENDE

Hinweise für Redakteur*innen

 

Medienkontakt:

Rebecca Hesketh

rebecca@higginsonstrategy.com

 

Die Changing Markets Foundation hat für diesen Bericht mit Stand.earth und der Zero Waste Alliance Ukraine zusammengearbeitet.

 

Changing Markets Foundation

Die Changing Markets Foundation wurde mit dem Ziel gegründet, die Macht der Märkte zu nutzen, um Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme zu beschleunigen und zu multipizieren.

In Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, anderen Stiftungen und Forschungseinrichtungen entwickeln und unterstützen wir Kampagnen, die den Marktanteil von nicht nachhaltigen Produkten und Unternehmen zugunsten von umweltfreundlichen und sozial verträglichen Alternativen verschieben.

Weitere Information unter: https://changingmarkets.org/

 

Stand.earth

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Zero Waste Alliance Ukraine

Die Zero Waste Alliance Ukraine ist ein öffentlicher Dachverband, der ukrainische Zero Waste Initiativen vereint. Er wurde 2019 von Zero Waste Lviv, Zero Waste Kharkiv und der Zero Waste Society (Kyjiw) gegründet.

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